Islam ist eine allgemeingültige Religion
Der Heilige Koran verdeutlicht wiederholt, dass Islam eine Religion ist, dessen Lehren zum menschlichen Gemüt in Bezug stehen. Islam betont, dass jede Religion, die im menschlichen Gemüt fusst, Zeit und Raum überschreitet. Das menschliche Gemüt ist unveränderbar. Also wird jene Religion, die wahrhaft im menschlichen Gemüt verwurzelt ist, durch genau dieses Merkmal ebenso unveränderlich, vorausgesetzt, dass sie sich nicht zu sehr auf die vorübergehende Lage des Menschen, während er voranschreitet, einlässt, egal in welchem Alter. Wenn die Religion sich an diesem dem menschlichen Gemüt entstammenden Grundregeln hält, besitzt solch eine Religion die folgerichtige Stärke, zu einer allgemeingültigen Religion zu werden.
Islam geht noch einen Schritt weiter. In seiner einzigartig verständnisvollen Haltung beschreibt er, dass bis zu einem gewissen Grad alle Religionen der Welt diesen Wesenszug von Allgemeingültigkeit besitzen. Als solches findet sich in jeder göttlich geoffenbarten Religion ein zentraler Lehrkern, der mit dem menschlichen Gemüt und der ewigen Wahrheit verbunden ist. Dieser Kern der Religionen bleibt unverändert, natürlich nur, sofern die Anhänger dieser Religion deren Lehre nicht zu einem späteren Zeitpunkt verfälschen. Die folgenden Verse veranschaulichen diesen Punkt:
“Und doch war ihnen (dem Volk des Buches) nichts anderes empfohlen, als Allah zu dienen, in lauterem Gehorsam gegen Ihn und aufrechtem Glauben, und das Gebet zu verrichten und die Zakat zu zahlen. Und das ist der beständige Glaube.” (98:6)
Und:
“So richte dein Antlitz auf den Glauben wie ein Aufrechter (und folge) der Natur, die Allah geschaffen, der Natur, mit welcher Allah die Menschen erschaffen hat. Es gibt kein Ändern an Allahs Schöpfung. Das ist der beständige Glaube. Allein die meisten Menschen wissen es nicht.” (30:31)
Angesichts des Vorstehenden mag die Frage nach der Weisheit erhoben werden, eine Religion nach der anderen mit derselben Lehre zu entsenden. Des Weiteren mag man sich wundern, warum Islam in bedingter Hinsicht beansprucht, allgemeingültiger und vollkommener als alle anderen vorherigen Religionen zu sein, wenn doch alle dieselben unveränderbaren allgemeingültigen Lehren brachten, die zu allen Zeiten auf alle Menschen anwendbar seien.
In Beantwortung der ersten Frage lenkt der Heilige Koran das Augenmerk der Menschheit auf die unstrittige geschichtliche Tatsache, dass die vor dem Koran offenbarten Bücher und Schriften verfälscht wurden. Ihre Lehren wurden im Werdegang allmählicher Änderungen verfälscht oder es wurden mit Hilfe von Einschiebungen neue Elemente eingeführt, so lange, bis Gültigkeit und Echtheit dieser Bücher und Schriften zweifelhaft und fragwürdig wurden.
Damit also liegt die Beweislast, dass niemals eine Veränderung, welcher Art auch immer, stattgefunden hat, natürlich auf den Schultern jener Menschen, die diesen Religionen angehören. Soweit der Koran davon betroffen ist, nimmt er unter allen religiösen Büchern und Schriften eine einmalige und herausragende Stellung ein. Selbst einige der unerschütterlichsten Feinde des Islam, die nicht daran glauben, dass der Koran das Wort Gottes sei, haben zugeben müssen, dass der Heilige Koran ohne den geringsten Schatten eines Zweifels dasselbe und unveränderte Buch ist, von dem Muhammadsaw beanspruchte, das Wort Gottes zu sein. Beispielsweise heisst es:
“Andererseits besteht vollkommene Sicherheit dahingehend, intern wie extern, dass wir denselben Text besitzen, den Mohamet selbst übermittelte und benutzte.” (Das Leben Muhammads von Sir William Munir, Seite XXVII, London, 1878)
“Wir können aufgrund der stärksten Annahme bestätigen, dass jeder Vers im Koran die genuine und unverfälschte Komposition von Mohamet selbst ist.” (Das Leben Muhammads von Sir William Munir, Seite XXVIII, London, 1878)
“Geringfügige klerikale Fehler mag es gegeben haben, indes enthält der Koran Uthmans nichts als genuine Elemente, gleichwohl manches Mal in sehr merkwürdiger Reihenfolge. Die Anstrengungen europäischer Gelehrter, das Vorhandensein späterer Einfügungen in den Koran zu beweisen, sind fehlgeschlagen.“ (Prof. Nöldeke in der Encyclopaedia Britannica – 9. Ausgabe, unter „Quran“)
Welches Buch von wem verfasst wurde, betrifft einen vollkommen anderen Bereich der Streitfrage. Dasselbe Buch jedoch, dessen göttliche Urheberschaft von den anderen Völkern des Buches bestritten wird, bezeugt die Tatsache, dass nicht nur die Torah und die Evangelien (zusammengefasst das Alte und das Neue Testament) teilweise von Gott Selbst stammen, sondern dass gleichermassen auch andere Bücher, die zu verschiedenen Religionen in anderen Teilen der Welt gehören, ohne Frage von demselben Gott stammen – nur die Widersprüche, die man darin findet, sind Menschenwerk. Unnötig zu erwähnen, dass die Haltung des Heiligen Koran die bei weitem wirklichkeitsnächste und dem Frieden zwischen den Religionen förderlichste ist.
Was die zweite Fragestellung betrifft, so lenkt der Heilige Koran unsere Aufmerksamkeit auf die in allen Bereichen menschlicher Gesellschaft vorhandene und anhaltende Evolution. Neue Religionen wurden nicht nur im Interesse der Wiederherstellung grundsätzlicher Lehren älterer Religionen benötigt, die durch menschliches Machwerk verstümmelt worden waren, sondern genauso mussten dann, als sich die Gesellschaft weiterentwickelte, zu den bestehenden weitere Lehren hinzugefügt werden, um mit der Gangart des Fortschritts mitzuhalten.
Das ist nicht alles. Ein weiterer mitwirkender Umstand in diesem Änderungsvorgang war das Element zeitbezogener untergeordneter Lehren, die offenbart wurden, um ausschliesslich die Nöte eines bestimmten Volkes oder einer bestimmten Zeit zu bedienen. Dies bedeutet, dass Religionen nicht nur aus einem zentralen Kern unveränderbarer Grundsätze beschaffen waren, sondern ebenso mit nebensächlichen, untergeordneten und sogar vergänglichen Lehren verfeinert wurden.
Schliesslich und endlich wurde der Mensch nicht in einem einzigen grossen Augenblick unterrichtet und in göttlichen Weisungen geschult, sondern allmählich, Schritt für Schritt bis zur Stufe geistigen Erwachsenseins geführt, wo er dann für wert und reif genug betrachtet wurde, alle grundlegenden Richtlinien zu empfangen, die zu seiner Leitung notwendig waren. Dem koranischen Anspruch zufolge, wurde eine untergeordnete Lehre, die unabtrennbar auf ewigwährenden grundlegenden Prinzipien beruht, ebenso als ein Teil der endgültigen, vollkommenen und vollendeten Religion, also Islam, offenbart. Das, was von rein örtlichem oder zeitlichem Wesen war, wurde abgeändert oder ausgelassen. Das, was zukünftig noch gebraucht würde, wurde zur Verfügung gestellt und beibehalten (5:14-16).
Das ist im Wesentlichen die islamische Auffassung über religiöse Allgemeingültigkeit, die der Islam beansprucht zu besitzen.
Quelle: Der 4. Khalifa der Ahmadiyya Muslim Jamaat: Mirza Tahir Ahmad, Islam – Antworten auf die Fragen unserer Zeit, Verlag Der Islam, 2008, S. 41-46