Das grösste Laster – Die Lüge
2. Bai’at-Bedingung
„Dass er/sie sich fernhalten wird von Lüge, Unzucht, Ehebruch, Versündigung der Augen und jeder Art von Morallosigkeit und Unsittlichkeit, Unrecht, Veruntreuung, Unruhe und Rebellion; und dass er/sie sich selbst nicht erlauben wird, von Leidenschaften mitgerissen zu werden, wie stark sie auch immer sein mögen.“
Neun verschiedene Laster sind in dieser einen Bedingung erwähnt, von denen sich jeder Bai’at-Leistende, jeder, der sich zur Gemeinde des Verheissenen Messiasas zählt, fernhalten soll.
Das grösste Laster – die Lüge
Das grösste Laster ist in der Tat die Lüge. Deshalb sagte der Heilige Prophetsaw zu einem Mann, der angab, zu viele schlechte Gewohnheiten zu besitzen, als dass er sie alle auf einmal loswerden könnte, und deshalb um eine einzige Belehrung bat, die er zu befolgen imstande sei:
„Versprich mir, dass du stets die Wahrheit sagen und niemals lügen wirst.“
Auf diese Weise kam der Mann allmählich von all seinen schlechten Gewohnheiten los. Denn wann immer er einer schlechten Gewohnheit nachgehen wollte, fiel ihm ein, dass er vor den Heiligen Prophetensaw treten müsste, wenn er ertappt werde. Da er versprochen hatte, nicht zu lügen, würde es ihn beschämen oder eine Strafe einbringen, wenn er die Wahrheit sagte. So wurde er eine üble Gewohnheit nach der anderen los. In der Tat ist die Lüge die Wurzel aller Untugenden. Ich möchte nun näher darauf eingehen. Im Heiligen Qur’an sagt Allah:
„Das (ist so). Und wer die heiligen Dinge Allahs ehrt, es wird gut für ihn sein vor seinem Herrn. Erlaubt ist euch alles Vieh, mit Ausnahme dessen, was euch angesagt worden ist. Meidet darum den Greuel der Götzen und meidet falsche Rede.“ (22:31)
Hier ist der Schirk zusammen mit der Lüge erwähnt. Dann sagt Allah:
„Fürwahr, Allah (allein) gebührt lauterer Gehorsam. Und diejenigen, die sich andere zu Beschützern nehmen statt Ihn (sprechen): ‚Wir dienen ihnen nur, damit sie uns Allah nahebringen.‘ Allah wird zwischen ihnen richten über das, worin sie uneins sind. Wahrlich, Allah weist nicht dem den Weg, der ein Lügner, ein Undankbarer ist.“ (39:04)
In einem Hadith in Sahih Muslim berichtet Abdullah bin Umru ibn-ul-`Asra, dass der Heilige Prophetsaw sagte:
„Wer vier bestimmte Eigenschaften in sich trägt, der ist ein wahrer Heuchler. Und wer nur eine dieser Eigenschaften besitzt, der birgt ein Merkmal der Heuchelei in sich, bis er diese aufgibt:
1. Wenn er sich unterhält, dann bedient er sich der falschen Rede (d.h., wenn er spricht, so mischt er auch Falschaussagen darunter und er sagt die Unwahrheit).
2. Wenn er einen Vertrag eingeht, so bricht er diesen.
3. Wenn er ein Versprechen abgibt, so bricht er es (auch das ist eine Form der Lüge).
4. Wenn er streitet, so benutzt er üble Worte.“
All diese Dinge stehen im Zusammenhang mit der Lüge. In einem anderen Hadith erzählt Hadhrat Imam Malikra:
„Ich habe erfahren, dass Hadhrat Abdullah bin Mas’udra zu sagen pflegte: ‚Ihr solltet die Wahrheit sagen, denn die Wahrheit führt zur Tugendhaftigkeit und die Tugendhaftigkeit führt ins Paradies. Hütet euch vor der Lüge, denn die Lüge führt zum Ungehorsam und Ungehorsam führt zur Hölle. Kennt ihr nicht das Sprichwort, jener habe die Wahrheit gesagt und war gehorsam; er log und wurde sündig?‘“ (Muatta Imam Malik, Kapitel ma ja’ fis-sidqi wal-kazib)
Dann gibt es ein Hadith in Masnad Ahmad bin Hanbal, in dem Hadhrat Abu Hurairahra berichtet, dass der Heilige Prophetsaw sagte:
„Wer ein Kleinkind mit den Worten ‚Komm her, ich möchte dir etwas geben’ lockt und ihm dann nichts gibt, so zählt auch das als Lüge.“ (Masnad Ahmad bin Hanbal, Bd. II, S. 349, herausgegeben in Beirut.)
Das ist ein sehr wichtiger Punkt bei der Erziehung. Man sollte gegenüber Kindern auch nicht scherzhaft so etwas behaupten. Denn sonst gewöhnen sich die Kinder auch aus Spass an, Falsches zu behaupten. Das kann auf Dauer zu einer festen Gewohnheit werden, so dass ihnen auch das Lügen nichts mehr ausmacht und sie dabei gar kein schlechtes Gewissen mehr empfinden.
Hadhrat Ibn-e-Mas’udra berichtet, dass der Heilige Prophetsaw sagte:
„Ehrlichkeit führt zur Tugendhaftigkeit und Tugendhaftigkeit führt ins Paradies. Und ein Mensch, der stets die Wahrheit sagt, wird bei Allah als der Wahrhaftige registriert. Und Lügen führt zur Sünde und Untugend, und die Untugend führt in die Hölle. Und ein Mensch, der unentwegt lügt, wird bei Allah als Lügner registriert.“ (Bukhari, kitab-ul-adab, qaulillahi ittaqullaha wa kunu ma assadiqeen)
Hadhrat Abdullah bin Umar bin Aasra berichtet, dass einmal ein Mann zum Heiligen Prophetensaw kam und fragte:
„O Prophet Gottes, welche Handlung führt ins Paradies?“ Der Heilige Prophetsaw erwiderte: ‚Die Wahrheit zu sprechen. Und wenn ein Mensch die Wahrheit sagt, so wird er gehorsam. Und wenn er gehorsam ist, so wird er zu einem wahren Gläubigen. Und wenn ein Mensch zu einem wahren Gläubigen wird, so kommt er schlussendlich ins Paradies.‘ Daraufhin wollte der Mann wissen: ‚O Prophet Gottes, welche Handlung führt in die Hölle?‘. Der Heilige Prophetsaw antwortete: ‚Die Lüge. Ein Mensch lügt und wird ungehorsam. Und wenn ein Mensch ungehorsam ist, so wird er ungläubig. Und wenn ein Mensch ungläubig wird, so führt ihn dies letztendlich in die Hölle.‘“ (Masnad Ahmad bin Hanbal, Bd. II, S. 176, herausgegeben in Beirut)
Der Verheissene Messiasas sagte:
„Der Heilige Qur’an bezeichnet auch die Lüge als eine Schändlichkeit.
So heisst es:
„Meidet darum den Greuel der Götzen und meidet falsche Rede.“ (22:31)
Schaut, hier wird die Lüge einem Götzen gleichgesetzt. Und in der Tat ist die Lüge eine Art Götze. Wieso wendet sich sonst der Mensch von der Wahrheit ab und geht einen anderen Weg? So wie ein Götze auf keiner Realität gründet, so ist auch die Lüge nichts als Trug. Das Vertrauen in einen Lügner kann so weit abnehmen, dass man selbst dann, wenn er die Wahrheit sagt, den Verdacht hegt, dass seine Aussage mit Falschheit vermengt sein könnte. Wenn ein gewohnheitsmässiger Lügner von seiner Gewohnheit loskommen möchte, so wird ihm dies nicht auf Anhieb gelingen. Es bedarf einer beständigen Übung, um die Wahrheitstreue wiederzuerlangen.“ (Malfuzaat, Bd. III, S. 350)
Ferner sagte der Verheissene Messiasas:
„Eine der natürlichen Veranlagungen des Menschen ist Wahrheitsliebe. Solange er nicht durch selbstsüchtige Motive dazu bewegt wird, hat der Mensch keinen Wunsch zu lügen. Er bringt der Falschheit eine gewisse Abneigung entgegen und zögert, sich ihrer zu bedienen. Aus diesem Grunde mag er einen Mitmenschen nicht, von dem es klar erwiesen ist, dass er sich einer Lüge bedient hat, sondern verachtet ihn. Aber diese natürliche Neigung allein kann nicht als eine moralische Eigenschaft gewertet werden. Sogar Kinder und geistig Behinderte üben sie aus.
Solange sich der Mensch von jenen Zielen nicht lossagt, die ihn daran hindern, die Wahrheit zu sagen, kann er nicht als wahrheitsliebend betrachtet werden. Denn, wenn er nur dort die Wahrheit sagt, wo die Wahrhaftigkeit ihm keinerlei Verlust bedeutet, und wenn er dort lügt oder die Wahrheit verschweigt, wo seine Ehre, sein Eigentum oder Leben in Gefahr sind, ist er nicht besser als die Kinder oder die Schwachsinnigen, denn sagen auch nicht die geistig Behinderten und Kleinkinder solche Wahrheit? In der Welt gibt es wohl kaum jemanden, der die Unwahrheit ohne Beweggrund spricht. Die Wahrhaftigkeit, die man aufgibt, um einem Verlust zu entgehen, ist keine echte moralische. Die echte Gelegenheit, die Wahrheit zu sagen, ist diejenige, bei der man den Verlust von Leben, Eigentum und Ehre befürchten muss.“
Dies zeigt, dass auch Unwahrheit ein Götze ist, und wer einem Götzen vertraut, der vertraut nicht Gott, denn durch eine Lüge verliert man auch Gott. Weiter heisst es:
„Wenn ihr gerufen werdet, die Wahrheit zu bezeugen, so sollt ihr euch nicht weigern […] Und haltet nicht Zeugenschaft zurück; wer sie verhehlt, gewiss, dessen Herz ist sündhaft.“ (2:283, 284)
„Und wenn ihr einen Spruch fällt, so sprecht nur das, was ganze Wahrheit ist und übt Gerechtigkeit, auch wenn es einen nahen Verwandten betrifft.“ (6:153).
„Seid fest in Wahrung der Gerechtigkeit und Wahrheit und seid Zeugen nur für Gott, mag es auch gegen euch selbst oder gegen eure Eltern und Verwandten, wie Kinder usw. gerichtet sein.“ (4:136)
„Und die Feindseligkeit eines Volkes soll euch nicht zur Ungerechtigkeit und Unwahrheit verleiten.“ (5:9)
„Die wahrhaftigen Männer und die wahrhaftigen Frauen […] Gott hat ihnen Vergebung und herrlichen Lohn bereitet.“ (33:36)
„Und einander zur Wahrheit mahnen.“ (103:04)
„Und diejenigen, die der Gesellschaft der Lügner nicht beiwohnen.“ (25:73),
Quelle: Der 5. Khalifa der Ahmadiyya Muslim Jamaat: Mirza Masroor Ahmad, Die Bedingungen des Bai`at, Verlag der Islam, 1. Auflage, 2007, S. 34-41